„Das hätte ich als gesunder Mensch nie erleben dürfen.“
Ich lasse hier zumeist unsere Bilder sprechen und übergebe im 2. Absatz das mündliche/schriftliche Wort an Nicole. Vorweg von mir dazu erst mal nur so viel: Ich werde auch in Zukunft Bilder lediglich im Rahmen der Selbsthilfefotografie machen und kommerzielle Anfragen weiterhin ablehnen. Ich möchte frei bleiben und fotografieren wie ich fühle. Abgesehen davon ist der Aufwand, den ich mitunter für ein Bild betreibe, kaum bezahlbar. Zeitlich wie emotional bringe ich mich mit all meinen mir zur Verfügung stehenden Kräften und Mitteln ein. Und bekomme unendlich viel zurück. Vertrauen sowie kostbare, emotionale Momente, die ich für immer in meinem Herzen bewahren werde. So wie auch dieses Mal. Sie wagt den Langzeitselbstversuch und wird darüber schreiben. Nicole, Journalistin und Schmerzpatientin. Hier der erste Herzenstext zum Thema von ihr:
Schmerzmodel – ich? Ja, ich habe täglich Schmerzen, aber ein Model? Meine Gedanken fuhren Achterbahn. Bin ich nicht viel zu hässlich? Wie soll ich mich vor der Kamera bewegen? Was werden die Betrachter denken?
Ich habe meine ersten Bedenken beiseite gewischt, denn ich fand Brigittes Bilder unglaublich. Ich konnte mich sofort mit den Frauen identifizieren, ihren Schmerz nachfühlen. In die Fotos hineinversetzen. Sie waren ein Trost für mich – auch andere leiden Schmerzen. Ich bin nicht allein.
Brigitte und ich kamen ins Gespräch und so entwickelten wir die Idee, aus meinen/unseren Fotos ein Langzeitfotoprojekt mit begleitenden Texten zu machen. Denn Schreiben ist meine Leidenschaft und mein Beruf. Und Brigittes Leidenschaft ist ihre Fotografie, ihre Selbsthilfefotografie. Es fügte sich wunderbar! Und weitergesponnen: Es soll ein Buch entstehen. Nicht nur mit meiner Geschichte, sondern auch mit Interviews anderer Schmerzmodels. Wir haben alle eine Gesichte zu erzählen und ich bin die, die sie aufschreiben wird. Ein journalistischer Selbstversuch sozusagen…
Das Schöne an der Arbeit mit Brigitte (und ja, auch das Anstrengende): Wir entwickeln uns weiter. Nach zwei Probeshootings haben wir am Samstag das erste „echte“ Shooting gemacht. Wir hatten ein stimmiges Set aufgebaut, in der viele Bücher und einige Schallplatten eine Rolle spielten. Sachen, die mir wichtig sind. Wir haben viel probiert, viel gelacht und meine Unsicherheit wurde mit jeder Szene weniger. Irgendwann kamen ein schwarzer Hut* und eine Gitarre* ins Spiel. Brigitte und ich merkten beide: Das ist es! Es entstand am Set eine ganz eigentümliche, berührende Stimmung. Ich war ganz bei mir, versunken und Brigitte sagte kein Wort mehr. Musik und Bücher haben schon immer mein Herz und meine Seele berührt. Ein unglaublicher Moment, in dem meine Schmerzen an die Oberfläche kamen, eingefangen von Brigitte, die so unglaublich sensibel fotografiert. Einfach echt, einfach ich.
Ich bin schon sehr auf das nächste Shooting gespannt, denn ich habe die einmalige Chance, mich mit Brigitte weiterzuentwickeln und darüber zu schreiben.
(* Aus dem emofotologischen Kleider- und Requisitenfundus.)
Hier ist Nicole bei ihrem ersten Mal vor der Kamera zu sehen. Zum ersten Mal in einem Kleid. Das erste Mal in Farbe. Zum ersten erste Mal mit Make-up. Das Make-up und auch eine riesige Portion Fröhlichkeit hat Sabrina Donner gezaubert, von Donner Visagistik.
Weil der chronische Schmerz den Farbfilm vergessen hat
Bis dahin hatte sie immer nur schwarz getragen. Nicole Lütke, Redakteurin bei der Barftgaans, beobachtet unser Selbsthilfefotoprojekt für chronisch Schmerzkranke seit Monaten. Ihr journalistisches Interesse war natürlich vom ersten Augenblick an geweckt. Doch als selbst Betroffene stellte sie sich auch irgendwann die Frage: „Wäre das auch was für mich? Was passiert, wenn ich mich vor die Kamera wage? Ich, die so gar nicht zufrieden ist, mit ihrem Spiegelbild? Ich, die sich zu dick findet. Ich, die ihre Narben nicht sehen mag. Ich, die normalerweise vor jeder Kamera zurück schreckt. Ich, die immer nur schwarz trägt. Ich, die ja auch chronisch schmerzkrank ist.“
Ihr war klar, dass so eine Fotomache bedeutet, mit sich selbst ins Gespräch kommen zu müssen.
Sie wollte diesen Schritt wagen und hat sich als Schmerzmodel bei mir beworben. Also haben wir uns verabredet, um zu reden. Und rasch war klar: Als Journalistin wird sie diesen von uns angedachten Langzeitselbstversuch - ihr Auting - auch mit Worten beschreiben. Das finale Wunschbild haben wir im Kopf. Auch wie Nicoles Überlebensgeschichte über die Monate hinweg erzählt werden könnte. Wir werden für zwischendurch auch eine Dokumentarfotografin dabei haben. Frauke Szameitat wird uns bei der Fotomache fotografieren. Dieses Langzeitprojekt bleibt also bis zum Finale Frauensache.
Der schwierigste Tag war heute. Wie würde das Probeshooting, das Nicole die Scheu vor der Kamera nehmen sollte, laufen? Anfangen ist ein großer Schritt und Nicole hat durchaus auch ein bisschen Angst gehabt. Doch die war, wie Ihr sehen könnt, dann schnell weg. Unterstützt hat uns die wundervolle Sabrina Donner von Donner Visagistik. Auch sie wollte unbedingt Farbe in Nicoles Dasein bringen. Und ich wage zu behaupten: Es hat funktioniert.
Ich freue mich schon auf die weiteren Fotomachtage. Nicole und ich bereiten gerade den nächsten Termin vor. Und natürlich habe ich während jener ersten Besprechung dafür auch ein Testfoto gemacht. Also genauer gesagt: Es war mehr als eins. Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte. Hm? Die Brillenspiegelung u.a. ist hier auch noch nicht optimal. Und die eigentlichen Bilder werden ja erst noch gemacht. Aber ich wollte euch das Foto nicht vorenthalten. Weil ich Nicole darauf super süß finde. Sie ist ein toller, sensibler Mensch und ein tolles, sensibles Schmerzmodel. Und schreiben kann sie auch einfach wundervoll und mit Herzblut. Diese Bücherfrau / Journalistin ist innen wie außen wunderschön und herzlich. Also kurz gesagt: Ich weiß doch wie mir das passieren konnte, dass ich wieder mehr als ein Foto gemacht habe.