Unser Auto / Mein Emo-Mobil
Ein Hort der Geborgenheit. Der faradaysche Käfig auf vier Rädern schenkt uns Sicherheit. Auch in Zeiten von Corona fühlen wir uns darin sicherer als woanders. Sicherer als draußen zumindest. Und wir halten so auch den Mindestabstand ein.
Durch die Windschutzscheibe blickend, die auch als Spuckschutz fungiert, erscheint uns die Draußenwelt weit genug, aber nicht zu weit weg.
So nutzte ich - ganz bewusst - mein kleines Auto auch als Homeoffice und packte Kameras, Spickzettel, Notfallhandy und Wasserflasche ein. Um in die Stadt zu fahren. Einerseits, um für uns einzukaufen. Andererseits, um auf diesem Wege Straßenfotos zu schießen.
Ich weiß: Die Straßenfotografie beinhaltet eigentlich auch Menschen. Doch es gab kaum welche auf den Bürgersteigen zu sehen. Endzeitstimmung herrschte und eigentlich hatten nur noch nur die rollenden Büsche zwischen den leeren Häuser-schluchten gefehlt. Immerhin hatte ich keine Probleme mit den Datenschutzbe-stimmungen. Kein Mensch – keine Daten.
Ich, die sonst immer Menschen ablichtet, kam mir wirklich vor wie im falschen Film. Zwar bin ich gerne alleine, aber die spürbare, soziale und räumliche Ein-samkeit, die sich auch in den Bildern
jener Tage widerspiegelt, verstörte mich.
Am schlimmsten war es für mich die leeren Spielplätze zu sehen.
Warum ich dennoch versucht hatte, mich der Street-Photopraphy zu nähern? Weil ich viele andere fotografische Bereiche noch ausprobieren kann. Straßenfotos zu Coronazeiten jedoch hoffentlich nie wieder. Und da ich nicht so super zu Fuß bin - ich kann nicht stundenlang durch die Gegend laufen und auch nicht lange stehen - war das mit dem Auto nicht meine doofste Idee.
Meine Eltern und ich wohnen außerhalb der Stadt. Am Knackarsch der Welt. Bei uns auf dem Immenhof gibt es 7 Häuser und eine Straße. Also bin ich nach Uelzen gefahren. Und da ich coronamaßnahmenbedingt keine Umwege machen sollte und das Ganze mit unseren Lebensmitteleinkäufen kombinieren wollte, habe ich zuerst vom obersten Parkdeck eines Supermarktcenters aus fotografiert. Jenes Marktcenterparkhausdeck ist „normalerweise“ immer so voll, dass ich nicht mal mit meinem Fiat 500 ein Plätzchen finde. Damals standen da oben nur drei Autos.
Am Rande der Innenstadt hat es sich besonders seltsam angefühlt mit der Kamera zu agieren. Sowie ich doch mal aus dem Auto gestiegen bin, bin ich aufgefallen. Da gab es kein mit der Umgebung verschmelzen, wie es Straßen-fotograf*innen so gerne tun. Ich wurde von Fenstern und Balkonen aus beobachtet. Argwöhnisch oder als willkommene Abwechslung? So oder so mochte ich die Kamera nicht auf die Balkone, Fenster oder Terrassen richten, obwohl dort interessante Szenen zu sehen waren. Doch ich wollte weder irritieren noch ungefragt intime Bilder machen. Ein Aktfoto in Absprache zu machen, ist nicht halb so intim, wie heimlich eine angezogene Balkonszene abzulichten. So ist mein Empfinden.
Ich habe an der Straßenfotografie, trotz der widrigen Umstände, etwas Gefallen daran gefunden. Weil ich viel mehr bemerken konnte als mit ohne Kamera. Natürlich habe ich mich auch etliche Male geärgert, weil ich tolle Momente verpasst habe. Z.B. als eine Fahrradfahrerin mit extrem viel Klopapier im Korb an mir vorbeiradelte, ohne dass ich sie fotografieren konnte. Ich hatte sie im Rückspiegel entdeckt, sofort die nächste Parkbucht angesteuert und mir die Kamera geschnappt. Doch dann hat mir ein LKW die Sicht und die Chance auf das Bild genommen. Mehr Glück hatte ich bei dem Pfoto mit dem kleinen Hund. Ich hatte wieder nur Sekunden für das Bild. Bremsen, Scheibe runter, Kamera hoch und das Bild war im Kasten.
Mit den wenigen Passant*innen, die mir in jenen Stunden zu Fuß begegnet sind, kam ich ins Gespräch. Insbesondere, wenn ich Details fotografiert habe und sie wissen mochten, was mich daran interessierte. Weil mittlerweile – Smartphone lässt grüßen - die meisten Menschen fotografieren und die meisten damals auch nach echten Unterhaltungen lechzten, ergab sich Gesprächsstoff ohne Ende. Dann waren da noch die misstrauischen Menschen, die tatsächlich – zumindest aus der Entfernung – argwöhnten. Weil es Kriminelle gibt, die fotografisch Einbruchs-möglichkeiten auskundschaften und entsprechende Infos verschicken. Da solche Kriminellen jedoch eher mit Smartphones fotografieren, bin ich mit meiner Spiegelreflexkamera als mögliche Täterin ganz schnell wieder ausgeschieden.
Es gab auch noch Menschen, die mit aufs Bild mochten und das auch veröffentlicht sehen wollten. Und es gab Menschen, die alles taten, um nicht mit aufs Bild zu kommen. Da wir damals alle nicht zum Friseur gehen konnten, haben jene überwogen.
Ein Fazit: Die Street Photography ist für mich mehr als eine Möglichkeit etwas oder eine Zeitspanne dokumentieren zu können. Ich habe begriffen, dass ich damit auch meine ganz eigenen Gefühle zum Ausdruck bringen kann. Dass ich mit meinen Aufnahmen versucht habe, zu transportieren, was ich in jenen Zeiten empfunden habe. Mir ist klar geworden, dass ich mithilfe von Stimmungsbildern Geschichten erzählen kann, die Raum für Interpretationen lassen. Ich empfinde das als spannend und denke, dass es auch dafür viel Verantwortungsbewusstsein braucht. Eben weil es möglich ist, mit Bildern Stimmungsmache zu betreiben.